Der Bayerische Heimatminister hat am 12.07.2016 seinen Entwurf zur Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms (LEP) vorgestellt. Im Vorfeld dazu sind schon immer wieder neue Ideen dazu vorgestellt worden:
- Abstand zu Stromleitungen
- Zentrale Orte System
- Gewerbegebiete ohne Anbindegebot
In einer Pressekonferenz am 24.08.2016 hatte Annette Karl, wirtschaftspolitische Sprecherin, die Kritikpunkte der SPD-Landtagsfraktion am LEP dargestellt.
Die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogrammes 2016
Die Staatsregierung führt in der Begründung zum aktuellen Entwurf des Landesentwicklungsprorammes (LEP) aus: "Leitziel (der Landesentwicklung) bleibt die Schaffung und der Erhalt gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Teilräumen unter Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsgedankens. Als Leitmaßstab wird dem Leitziel die Nachhaltigkeit zur Seite gestellt.“
Wenn man sich allerdings den jetzigen Entwurf des LEP anschaut, muss man sich fragen, warum das Ministerium nicht ehrlicherweise die Landesplanung gleich ganz abgeschafft hat. Der vorliegende Entwurf dient nicht der Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen und ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Statt vorausschauender Landespolitik mit Gestaltungsanspruch werden die Kommunen in einen ruinösen Wettbewerb untereinander getrieben.
Die zugrunde liegenden Ideen von Liberalisierung, Endbürokratisierung und Kommunalisierung sind vom Grundansatz nicht schlecht, nur darf eine Liberalisierung von Regelungen nicht damit verwechselt werden, dass man damit jeden Wildwuchs zulässt und die Verantwortung für die Gesamtentwicklung Bayerns aufgegeben wird.
Eine Kommunalisierung von Verantwortung und Aufgaben macht nur dann Sinn, wenn die Kommunen auch gleichzeitig mit den entsprechenden finanziellen Mitteln befähigt werden, diese neuen Aufgaben zu erledigen. Ziel sollte dabei möglichst großes miteinander und nicht ein gegen einander agieren sein. Ansonsten ist diese Übertragung von Verantwortung nur eine Scheinhilfe für die Kommunen.
Das Landesentwicklungsprogramm (LEP) – Gestaltungselement eines handlungsfähigen Staates, kein Wünsch-dir-was-Katalog
Das LEP soll nach dem eigenen Anspruch der Staatsregierung „das fachübergreifende Gesamtkonzept zur räumlichen Ordnung und Entwicklung Bayerns“ sein. „Leitziel bleibt die Schaffung und der Erhalt gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Teilräumen unter Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsgedankens. Als Leitmaßstab wird dem Leitziel die Nachhaltigkeit an die Seite gestellt.“ (Begründung zum Teilfortschreibungsentwurf der Staatsregierung)
Diesem Anspruch wird der vorliegende Teilfortschreibungsentwurf in keinster Weise gerecht. Er ist lediglich der Versuch in Zeiten der Ministerpräsidentenkandidatenprofilierungsversuche es möglichst allen recht zu machen, ohne Rücksicht auf eine planmäßige Entwicklung Bayerns.
Vier Punkte fallen hier besonders auf:
1. Das schöne Gesicht Bayerns erhalten – kein Etschtal in Bayern - weitere Zersiedlung und Versiegelung vermeiden!
Die Identität Bayerns und das Lebensgefühl seiner Bürgerinnen und Bürger werden wesentlich von seinen Natur- und Kulturlandschaften sowie von der historisch verankerten Baukultur seiner Dörfer und seiner vielen großen und kleinen Städte geprägt – also von räumlichen Strukturen, die über Jahrhunderte respektiert und gepflegt wurden. Aus diesem Grund sind die Pflege und qualitätsvolle Weiterentwicklung der Baukultur und der Kulturlandschaften in Bayern unverzichtbare und tragende Pfeiler einer guten Landesentwicklung. Ein handlungsfähiger Staat erhält diese Güter, er schafft klare Leitplanken für die räumliche Entwicklung des Landes.
Dass Minister Söder den Begriff der „Vermeidung von Zersiedlung“ aus dem LEP streicht, ist ein landesentwicklungspolitischer Sündenfall. Das schöne Gesicht Bayerns, Garant für boomenden Tourismus und gutes Lebensgefühl der Bürger wird auf dem Altar eines zweifelshaften Entwicklungsversprechens geopfert. So können z.B. Kommunen Gewerbegebiete überall ausweisen, wo eine vierspurige Straße oder ein Gleisanschluss –egal ob genutzt oder nicht – in der Nähe ist. Lärmende Freizeiteinrichtungen wie z.B. Go-Kart-Bahnen können sogar ohne jede Einschränkung überall ausgewiesen werden, ohne Anbindung und ohne Rücksicht auf naturschutzrechtliche Gegebenheiten.
2. Vorhandene Knoten im Netz der Daseinsvorsorge stärken!
Landesentwicklung und damit das Landesentwicklungsprogramm (LEP) müssen den Verfassungsauftrag der Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen widerspiegeln. Die Zentralen Orte (ZO) sind die Knotenpunkte im Netz der Daseinsvorsorge für Bayern. Städte und Gemeinden, die zentralörtliche Aufgaben übernehmen, sind die Motoren der Entwicklung einer ganzen Region. Trotz eines in Auftrag gegeben Gutachtens wurde die Chance vertan, das Zentrale-Orte-System grundlegend zu überarbeiten und auf neue, tragende Füße zu stellen. Stattdessen wurden nur Aufwertungsanträge bearbeitet. In Zukunft wird jeder zweite Ort in Bayern ein zentraler sein. Damit geraten die ZO untereinander zunehmend in Konkurrenz und können ihre Aufgaben nur schwer wahrnehmen. Viele Knoten, die alle nicht halten, helfen niemandem.
3. Grenzüberschreitende Zentrale Orte brauchen eine klare Entwicklungsstrategie!
Nötig für das Funktionieren eines grenzüberschreitenden Zentralen Ortes sind nach Auffassung der Gutachter der Staatsregierung u.a. gegenseitige Funktionsergänzungspotenziale. Das Gutachten hält allerdings fest:“ Die Beurteilung des Funktionsergänzungspotenzials ist aber weitgehend funktionslos, da viele der offiziellen Einrichtungen im „Ausland“ trotz fortschreitender Europäisierung nicht oder nur eingeschränkt von Kunden aus dem jeweils anderen Land genutzt werden können. Dies betrifft Einrichtungen, die hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, z.B. Schulen, Notar, Polizei, Arbeitsagentur, Finanzamt, Behörden im Allgemeinen, usw….. Insofern ergäbe sich aus der Prüflogik zwangsläufig eine Nicht-Berücksichtigung grenzüberschreitender Doppel- und Mehrfachorte bei der Gravitations-und Verflechtungsanalyse, was aber nicht ausschließt, dass die Orte als planerisches Ziel dennoch als Mehrfachorte im LEP festgelegt werden, falls das bestehende Zielsystem entsprechend um eine Förderung grenzüberschreitender Kooperationen im Zentrale-Orte-Konzept erweitert werden würde.“ In dem Teilfortschreibungsentwurf steht lediglich ein einzelner, völlig unverbindlicher Satz zur Weiterentwicklung dieser ZO, kein Hauch einer Strategie.
4. Von der Bayern-AG zur Bayern-RmbH – vorwärts in die Vergangenheit!
Räume mit besonderem Handlungsbedarf (RmbH) haben den Anspruch, bei Planungen und Maßnahmen zur Versorgung mit Einrichtungen der Daseinsvorsorge, bei Fördermaßnahmen und bei der Verteilung von Finanzmitteln vorrangig berücksichtigt zu werden. Die Ausweitung der RmbH macht noch keine Strukturpolitik. Es ist schon verwunderlich, dass Bayern, das sich selbst und seine wirtschaftliche Potenz immer in den höchsten Tönen lobt, plötzlich zur Hälfte aus Regionen mit besonderem Bedarf zum Handeln besteht.
Damit aber zumindest die Höhe der Fördermittel im gleichen Umfang erhalten bleibt, muss die Ausweitung der RmbH auch einen deutlichen Aufwuchs der Finanzmittel bei der Wirtschaftsförderung nach sich ziehen. Die Kuchen, der an die einzelnen Kommunen verteilt wird, muss vergrößert werden anstatt die einzelnen Kuchenstücke immer weiter zu verkleinern.
Dazu wurden auch mehrere Anträge eingereicht:
LEP II: Zersiedelung und Versiegelung stoppen, Entwicklung fördern
LEP III: Anbindegebot zukunftsfähig machen
LEP IV: Vorhandene Knoten im Netz der Daseinsvorsorge stärken
LEP V: Haushaltsplan 2017/2018; hier: Zuschüsse an private Unternehmen (Kap. 07 04 Tit. 89272)
Das aktuelle Landesentwicklungsprogramm
Aktuelles Landesentwicklungsprogramm
Anhörungsverfahren zur Teilfortschreibung 2016
Presseberichte
26.08.2016 Bayerische Staatszeitung - Großmarkt oder Tante-Emma-Laden?
24.08.2016 Pressemeldung der BayernSPD-Landtagsfraktion
24.08.2016 Süddeutsche Zeitung - Parteienstreit um die Heimat
24.08.2016 Bayerischer Rundfunk - SPD für mehr Zusammenarbeit und weniger Beton
Jede Woche stellt die Bayerische Staatszeitung eine Frage der Woche.
Diese lautete in der Woche vom 29.08. - 03.09.16: Soll die Ansiedlung von Gewerbegebieten auf der grünen Wiese leichter werden?
Der Standpunkt von Annette Karl
Nein
Die Staatsregierung stellt in ihrer Begründung zum Änderungsentwurf des Landesentwicklungsprogramms (LEP) fest, dass „die Nachhaltigkeit als Leitmaßstab dem Leitziel der Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen an die Seite gestellt wird“. Außerdem: „Das LEP ist das fachübergreifende Gesamtkonzept.“
Nachhaltigkeit bedeutet insbesondere den Schutz von Umwelt und der Natur. Wenn die Staatsregierung ihre eigenen Vorgaben ernst nimmt, muss ihr Gesamtkonzept auch weiterhin wirksame Vorgaben zur Vermeidung von Zersiedelung und Versiegelung enthalten. Im Spannungsfeld zu diesem Ziel steht immer der verständliche Wunsch von Kommunen, über die Ausweisung von Gewerbegebieten Firmen und damit Arbeitsplätze anzulocken. 40 Prozent der Gewerbeflächen stehen leer in Bayern, eine aktuelle Studie im Allgäu hat ergeben, dass dort das Angebot an Gewerbeflächen den Bedarf um ein Vielfaches übersteigt. Die Möglichkeit für Kommunen, praktisch überall Gewerbegebiete ausweisen zu können, führt vor diesem Hintergrund zu einem ruinösen Wettbewerb der Kommunen um mögliche ansiedlungswillige Firmen, ausgetragen über den Preis für Gewerbeflächen. Das belastet gerade finanzschwache Kommunen in peripheren Regionen noch zusätzlich, ohne dass ein Ansiedlungserfolg garantiert ist. Für diese zweifelhaften Zukunftsperspektiven will die Staatsregierung eine massive Zubetonierung von Flächen im schönen Bayern in Kauf nehmen, das Gegenteil von Nachhaltigkeit.
Wir brauchen für die gute Entwicklung aller Kommunen stattdessen eine noch gezieltere regionale Wirtschaftsförderung, die zum Beispiel die Nachteile durch das Fördergefälle im Grenzgebiet besser ausgleicht und die über Bayern Invest endlich die Ansiedlung von Firmen im ländlichen Raum massiv vorantreibt. Um entwicklungswilligen Gemeinden keine Chancen zu verbauen, muss es ein vereinfachtes Zielabweichungsverfahren bei nachgewiesenem Bedarf geben.
Bürgerbüro MdL Annette Karl
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